GUTHMANN, J.C. HAHN & REICHEL (2011): Taschenlexikon der Pilze Deutschlands. Ein Kompetenter Begleiter zu den wichtigsten Arten. Wiebelsheim. 432 S., viele Farbbilder, Pappband. Preis: 29.95 Euro

„Neben der ausführlichen Beschreibung der Hauptmerkmale, des Vorkommens und der Verwechslungsmöglichkeiten der wichtigsten Pilzarten, gilt das besondere Augenmerk der Autoren deren Heil- und Giftwirkung.“ , so der Text auf dem Rückumschlag des Buches.

Um es vorweg zu nehmen, Pilze bestimmen kann man mit diesem Buch nicht, dafür ist es nicht gemacht. Es soll darum gehen, von bekannten Arten weniger Bekanntes darzustellen. So haben die Autoren viel Wissenswertes über die behandelten Arten zusammen getragen. Vorzugsweise werden die Inhaltsstoffe der Pilze, deren chemische Zusammensetzung und mögliche Heilwirkungen behandelt.

Ein Chemiker wird wahrscheinlich seine Freude daran haben. Für den chemisch weniger vorbelasteten Leser ist die Anhäufung von chemischen Formeln und Fachbegriffen eher verwirrend.

Ein größerer Interessentenkreis soll sich wohl mit den Heilwirkungen der Pilze bzw. deren Inhaltsstoffe angesprochen fühlen. Und diese Leser werden auch voll auf ihre Kosten kommen. So erfährt man immer wieder von Inhaltsstoffen und Verbindungen, die „antibakteriell wirken“, „antiviral wirken“, „antifungal wirken“, „antimutagen wirken“, „wirksam gegen Eitererreger sind“ oder agr „das Wachstum verschiedener Tumorzellen hemmen“. Fast immer werden auch entsprechende Literaturquellen dazu angegeben. Ansonsten wird die „Traditionelle Chinesische Medizin“ bemüht, wie z. B. beim Pfifferling (S. 101): „Die Traditionelle Chinesische Medizin empfiehlt den regelmäßigen Genuss des Pilzes bei Nachtblindheit und entzündeten Augen.“ Liest man die Liste der „geradezu unglaublichen gesundheitlichen Wirkungen“ des Glänzenden Lackporlings (S. 161) – der hilft praktisch gegen alles – so fragt man sich, warum die Fruchtkörper nicht längst als Medizin in Apotheken erhältlich sind.

Über den Speisewert von Pilzen lässt sich natürlich vortrefflich streiten: Butterrübling, Waldfreundrübling, Wolliger Milchling werden als essbar angegeben. Glimmertintling als eingeschränkt essbar. Ich glaube, auf solche „Esspilze“ sind wir nicht wirklich angewiesen. Auf S. 98 erfährt man, dass die Ziegenlippe giftig auf Fruchtfliegen wirkt. Leider erfährt der Leser nicht, ob dieses Gift über die Atmung, die Haut oder oral zugefügt werden muss. Nicht wenige der im Text angegebenen Literaturstellen fehlen leider im Literaturverzeichnis ((WASSON 1968, ROSENBOHM 1995, BREMNESS 1995, LEWIN 1924, STIJVE & KUYPER 1985, MA et al. 1991, und andere).

Das sehr häufige, unkritische und unreflektierte Zitieren von Literaturquellen, die belegen sollen, dass Pilzinhaltsstoffe heilende Wirkung haben, halte ich für wenig hilfreich. Auch wenn die Autoren es vorgezogen haben, sich hierbei der eigenen Meinung zu enthalten, wird dem Leser suggeriert, dass Pilze Heilmittel darstellen. Dazu passend findet der Leser auf der Einbandinnenseite auch gleich Hinweise auf entsprechende Bezugsquellen für „Vitalpilze“. Dort lassen sich Pilzextrakte in Pulver- oder Kapselform zu stolzen Preisen erwerben.

Für mich das Beste in diesem stark „chemielastigen“ und „heilpilzigen“ Buch sind die Gattungsbeschreibungen, die wirklich prima gemacht sind.

 

                                                                                     Peter Reil