Haareis – entsteht im Zusammenhang mit der Rosagetönten Gallertkruste – Januar 2024
Haareis - entsteht im Zusammenhang mit der Rosagetönten Gallertkruste
(Exidiopsis effusa)
effusa = weit ausgedehnt
Allgemeines
Das Haareis wird schon länger bestaunt und untersucht – schon 1833 erschien die erste wissenschaftliche Abhandlung über das einzigartige Eisgebilde im „The London and Edinburgh Philosophical Magazine and Journal of Science“. Der Autor Sir John Herschel beschrieb Haareis damals als „band- oder hemdkrausenartige wellenförmige Masse, die scheinbar aus Längsrissen des Stiels im weichen Zustande hervorgequollen war. Die Bänder hatten eine glänzende seidenartige Oberfläche und ein faseriges Gefüge.“ 1918 vermutete Meteorologe Alfred Wegener in einer Veröffentlichung einen „schimmelartigen Pilz“ hinter den Eisfasern. Diese Vermutung wurde dann 90 Jahre später durch Gerhart Wagner und Christian Mätzler von der Universität Bern bestätigt – das Wachstum des Haareises wird durch ein Pilzmyzel verursacht. „Urheber des zur Haareisbildung führenden Prozesses ist ein im Holzkörper, vor allem in den Holzstrahlen (…) lebendes Myzel eines winteraktiven Pilzes. (…) Der Pilz baut die in den Holzstrahlen vorhandenen organischen Nährstoffe (Kohlenhydrate, Lipoide) durch einen aeroben Dissimilationsprozess (Zellatmung) ab.“ Auch für die einzigartige Form der Eisfäden fanden die Forscher eine Erklärung: „Der Druck des entstehenden CO2-Gases drängt mit dem Oxydationswasser auch im Holz gespeichertes Wasser durch die Holzstrahlkanäle an die Oberfläche. (…) Im ausgestoßenen Wasser befinden sich als ‚Verunreinigung’ unvollständig abgebaute organische Substanzen. Dank den als Kristallisationskeime wirkenden organischen Molekülen gefriert das Wasser beim Austritt an die Luft schon knapp unterhalb von 0° C: Am Ausgang der Holzstrahlen entstehen Eishaare.“
Der Haareisforscher Mätzler fand 2015 auch heraus, dass das Haareis immer in Verbindung mit einer bestimmten Pilzart entsteht: nämlich der rosagetönten Gallertkruste (Exidiopsis effusa).
Zeichnung: Hanna Maser
Das Haareis ist also tatsächlich Eis, das aus den Poren des Holzes gedrückt wird. Es bildet beim Gefrieren keine Kristalle, sondern tritt in langen, ganz dünnen Spaghetti- ähnlichen Strukturen auf. Es wird durch das Myzel der rosagetönten Gallertkruste ausgelöst, deren aerober Stoffwechsel (also Stoffwechsel mit Sauerstoff) Gase produziert, die das im Holz vorhandene Wasser an die Oberfläche verdrängen. Dies erfolgt über sogenannte Holzstrahlen, radial nach außen verlaufenden dünnwandigen Zellen, die ein dichtes System feiner Kanäle bilden. Dringt das Wasser aus dem Holz heraus, beginnt es zu gefrieren. Von dem Inneren des Holzes wird weiteres Wasser nachgeschoben (wegen der Ausdehnung des Wassers bei niedrigen Temperaturen und der Anreicherung von Gasen) und so entstehen die dünnen Haare. Das erklärt auch, warum die Temperatur knapp unter dem Gefrierpunkt sein soll: das Wasser im Holz darf noch nicht gefroren sein, wird es allerdings aus dem Holz geschoben, so muss es so kalt sein, dass es hier gefriert. Durch den Vorgang des Gefrierens des Wassers wird Wärme erzeugt, so dass das Gefrieren des Wassers im Holz verhindert wird. Gefriert nämlich das Wasser auch im Holz hört das Wachstum der Eishaare auf.
Foto: Volker Draxler
Die genauen chemischen Vorgänge, die sich hier abspielen sind immer noch unklar. In dem geschmolzenen Wasser der Eishaare sind organische Substanzen gefunden worden, unter anderem auch Lignin. Mätzler vermutet, dass das Lignin oder ein ähnlicher Stoff das Eis seine ungewöhnliche Form behalten lässt und verhindert, dass die einzelnen Haare zusammengefrieren.
Passend dazu: die rosagetönte Gallertkruste ist ein Weißfäule-Auslöser und baut demzufolge das Lignin ab.
Die Eishaare bilden sich je nach Temperatur in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Bei günstigen Bedingungen kann ein Eishaar 5- 10 mm pro Stunde wachsen. Das ist doch erstaunlich schnell!
Und welchen Vorteil hat der Pilz von der Bildung des Haareises? Vielleicht, dass das Wasser aus dem Holz gedrückt wird und der Pilz nicht einfrieren kann?
Vorkommen
- An Laubholz, vor allem an Buchen, Erlen und Eichen
- Wetter mit hoher Luftfeuchtigkeit, ohne Schnee
- Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt
Makroskopische Merkmale
Die Eisfäden sind 30-100 mm lang und nur 0,02 mm dick (zum Vergleich: das menschliche Durchschnittshaar ist 0,05 – 0,08mm dick). Sie sind weiß bis rosabräunlich. Der Geruch ist neutral
Rosagetönte Gallertkruste (Exidiopsis effusa):
Der Fruchtkörper ist in feuchtem Zustand wachsartig, trocken hauchdünn und ausblassend, fest mit dem Substrat verwachsen. Die Farbe ist weißlich, grau, zartrosa mit glatter und matter Oberfläche.
Mikroskopische Merkmale
Sporen elliptisch bis bananen- oder würstchen-förmig, glatt, hyalin, bisweilen mit körnigem Inhalt 12-15 x 5-6 µm
Hypobasidien oval bis birnenförmig, längsseptiert 15-18 x 9-12 µm
Zystiden wurden keine beobachet
Zeichnung: Hanna Maser
Verwertbarkeit
Schön anzuschauen
Verwechslungen
Die rosagetönte Gallertkruste kann mit der kalkfarbenen Wachskruste (Exidiopsis calcea) verwechselt werden, diese findet man aber bei Fichte und sie bildet kalkanstrichartige Überzüge.
Auch sind Verwechslungen mit der grauen Wachskruste (Exidiopsis crisea) möglich. Diese findet man allerdings an Weißtanne. Sie bildet auch dickere und dunklere Überzüge.
Beide bilden im Winter kein Haareis.
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